Wir erinnern an

Mehmet Kubaşık, Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter. 

Mehmet Kubaşık wurde am 4. April 2006 von Mitgliedern des rassistischen und rechtsterroristischen NSU in seinem Kiosk in der Mallinckrodtstraße 190 in der Dortmunder Nordstadt ermordet. Er fehlt!

Gamze Kubaşık erinnert sich an ihren Vater als einen „liebevollen und ehrlichen Menschen“. Mehmet Kubaşık war bei vielen Menschen in der Nachbarschaft und im Stadtteil sehr beliebt. Nicht nur bei den Kindern, die in den Kiosk kamen, den er im Jahr 2004 eröffnet hatte und denen er oft mehr Süßigkeiten in die gemischte Tüte packte, als sie bezahlt hatten. 

„Es hat mich stolz gemacht, mit meinem Vater durch die Stadt zu gehen, weil er so beliebt war. Wenn ich mit ihm draussen war, hat er immer viele Leute gegrüßt. Ich bin so dankbar dafür, dass er immer viel Zeit mit uns verbracht hat“, erzählt Gamze. Mehmet Kubaşık liebte sein Auto, Musik und Fußball. Er liebte es zu Grillen. Mehmet Kubaşık war ein Mensch, der das familiäre Leben liebte. 

18 Jahre sind seit dem Mord an Mehmet Kubaşık vergangen – und noch immer ist die Tat nicht vollständig aufgeklärt. Weder der NSU-Prozess in München, der vor fast sechs Jahren zuende ging, noch mehrere Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben daran etwas geändert. Das nach der „Selbstenttarnung“ des sogenannten „NSU“ von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel gegebene Versprechen, alles zu tun, um die Taten lückenlos aufzuklären, ist bis heute uneingelöst. Ermittlungsakten wurden vernichtet oder für Jahrzehnte in Archivschränken verschlossen. 

Die Ermittlungen der Polizei nach den Morden waren von rassistischen Denkmustern und Verhaltensweisen durchzogen. Sie richteten sich nicht nur gegen die Familie Kubaşık, sondern auch gegen die Angehörigen der meisten anderen Opfer der Verbrechen des NSU. Ermittlungsbehörden stigmatisierten und kriminalisierten die Betroffenen öffentlich.

Es waren und sind die Überlebenden und Angehörigen, die um Erinnerung, Aufklärung, Anerkennung und Gerechtigkeit kämpfen. Familie Kubaşık tut dies seit 18 Jahren. Bereits im Juni 2006, nur wenige Wochen nach dem Mord an Mehmet Kubaşık, organisierte sie gemeinsam mit Freund*innen einen Schweigemarsch in Dortmund, mit einer zentralen Forderung: „Kein 10. Opfer!“. Schon damals – fünf Jahre vor der sogenannten „Selbstenttarnung“ – machten Angehörige, Betroffene und (wenige) solidarische Menschen auf den rassistischen Charakter und Zusammenhang der Taten aufmerksam und forderten deren umfassende Aufklärung. Diese hat es bislang nicht gegeben! Die Forderung der Familie Kubaşık hat daher auch 18 Jahre später nichts von ihrer Dringlichkeit verloren. 

Die solidarische Verbundenheit mit und zwischen den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt war und ist entscheidend dafür, dass die Forderungen nach Aufklärung, Gerechtigkeit und Veränderung unüberhörbar bleiben und immer lauter werden. Die Kraft der Solidarität, von Vernetzung und gegenseitigem Empowerment ist angesichts der rassistischen Vertreibungspläne einer an Einfluss gewinnenden AfD und ihres Umfelds notwendiger denn je. In diesen Zeiten, in denen der Anstieg antisemitischer, antimuslimischer und rassistischer Gewalt und Hetze den Alltag prägen und wütend machen, hören sich die Betroffenen und Überlebenden von Antisemitismus und Rassismus gegenseitig zu und stehen solidarisch zusammen – gegen die Angst und die Enttäuschung. 

Gamze Kubaşık ist mit weiteren Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt im bundesweiten Solidaritätsnetzwerk aktiv. Die Betroffenen solidarisieren sich, weil sie Konsequenzen gegen die rechte Gefahr und den Rechtsruck in unserer Gesellschaft fordern. Gemeinsam planen sie Veranstaltungen sowie Podiumsdiskussionen – denn sie setzen sich für eine bessere, schönere Gesellschaft ein.

Gamze Kubaşık kämpft als politische Bildnerin gegen Rassismus. Seit über drei Jahren spricht sie mit Schüler*innen über den NSU-Komplex, über ihre Erfahrungen als Angehörige mit der Gesellschaft, den Sicherheitsbehörden und der Nachbar*innenschaft. Sie möchte die Jugendlichen aufrütteln, sie möchte, dass ihr Vater Mehmet nicht vergessen wird. Darüber hinaus spricht sie auch in Museen, Theatern und anderen Einrichtungen. Ihre Erinnerungsarbeit ist wichtig, weil der Rassismus in unserer Gesellschaft nach wie vor eine sehr große Gefahr darstellt. 

Gemeinsam und mit vielen Perspektiven setzen wir den autoritär und ausgrenzend geführten gesellschaftlichen Diskursen sowie der alltäglichen und strukturellen Diskriminierung unsere Kämpfe, unsere Praxis und unsere Visionen einer solidarischen Gesellschaft der Vielen entgegen. Erinnern heißt Verändern. 

Dafür kommen wir am 4. April 2024 zusammen: um gemeinsam an Mehmet Kubaşık zu erinnern und an all die anderen Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt – und um aus unserer Solidarität Kraft zu schöpfen. 

Wir hoffen, viele von Euch zu sehen!

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